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Kurzfassung eines Gespräches mit Herbert Rehle-Reich

Begründer und massgeblicher Architekt und Erbauer der Gemeinschaft Sulzbrunn

www.sulzbrunn.org

Begründet wurde die Gemeinschaft und das dazugehörige Seminarhaus von Herbert Rehle-Reich, aufgewachsen als Landwirt, der sich selbst gern als handwerklichen „Macher“ bezeichnet, auf einem 17 ha umfassenden ehemaligen Diakonie-Heim in der Nähe von Sulzbrunn.

Frage: „Wie habt Ihr begonnen“?

Antwort: „Die Gemeinschaft gründete sich mit zunächst 15 Menschen. Das Anfangskonzept wurde von der Gemeinschaft am Schloss Tempelhof übernommen. Dabei dient das Drei-Säulen-Modell administrativ als das Strukturgebende Element: Die Stiftung hat Grund und Boden erworben und hält diesen. Damit ist der Boden als Basis des gemeinschaftlichen Lebens, wie Siedlung und Bewirtschaftung, vor Spekulation und damit einer etwaigen Zerschlagung des Projektes in der Zukunft geschützt. Verwaltet wird der Stiftungsfonds von der grund-stiftung am Schloss Tempelhof. Die Gemeinschaft Sulzbrunn eG als eingetragene Genossenschaft hat die Nutzungsrechte auf einhundert Jahre übertragen bekommen. Rechtlich sind wir sozusagen eine Zweigstelle der Gemeinschaft Tempelhof, weil wir deren strukturelle Elemente übernommen haben. Im Förderverein Sulzbrunn e.V. werden konkrete gemeinnützige Projekte vor Ort durchgeführt.“

Frage: „Wie habt Ihr das alles finanziert und bezahlt, den Boden, die Häuser, die Gründungskosten und notwendigen Renovierungen und Umbauten, die Struktur und das ganze Lernen, das dafür erforderlich ist?“

Antwort: „Stimmt, das hat Geld gekostet. Wir hatten anfangs viel Unterstützung durch die Experten vom Tempelhof. Später, nach ca. fünf Jahren, lernten wir, dass Gemeinschaftsbildungsaktivitäten, wie wir das zum Beispiel mit dem WIR-Prozess nach Scott Peck jahrelang versucht haben, allein nicht ausreichen. Es musste eine zuverlässige und stabil funktionierende Organisation erschaffen werden, in deren Rahmen die Mitglieder der Gemeinschaft aus sich heraus selbstverständlich alle anfallenden Arbeiten zielführend bewältigen und vorantreiben können. Das erforderte die Errichtung und Einführung verbindlicher Strukturen. Hierfür haben wir dann für unsere gemeinsame Verwaltung, Planung und Steuerung des ganzen Gemeinschafts-Projekts die Soziokratie eingeführt. Dabei haben wir regelmässig deren Berater hinzugezogen. Das hat viel Geld gekostet, und das war es aber auch wert, weil dringend notwendig.

Zum Kauf des Grundstücks und der Häuser hatten wir mit dem Verkäufer eine substanzielle sechsstellige quasi ´Ratenzahlung` über die ersten drei Jahre ausgehandelt. Damit konnten wir halbjährlich einen für die Gemeinschaft sicher leistbaren Betrag an den Verkäufer überweisen. Diesen Geldfluss konnten wir regelmässig über die eingezahlten einmaligen Anteile der Gemeinschaftsmitglieder darstellen. Das ermöglichte uns nach drei Jahren dann relativ einfach, den noch offenen Restbetrag über ein Darlehen der GLS Bank zu bekommen. Weil wir zeigen konnten, dass wir bereits ein funktionierendes Konzept und eine ausreichend grosse Menge mitmachender Menschen hatten. Und damit zuverlässig und kreditwürdig waren. Die laufenden Einnahmen aus den regelmässigen Mietzahlungen der Bewohner dienten dann als Sicherheit und zur Abtragung des kreditfinanzierten Restbetrags. Nachteil dieser Art der Finanzierung war, dass wir darauf angewiesen waren, zu wachsen, und über diverse Medien auch aktiv Werbung um neue Mitglieder machen mussten. Darum hatten wir zeitweise auch manchmal nicht ganz so ideal freie Auswahlmöglichkeiten bei der Aufnahme neuer Mitglieder. In Einzelfällen führte das später zu chronischen Problemen, in einem Falle mussten wir uns sogar von einem Mitglied wieder trennen.“

Frage: „Du erwähntest die Notwendigkeit, neben dem Gemeinschaftsbildungsprozess zusätzlich auch auf Strukturgebende Elemente zu setzen. In dem Zusammenhang schildertest Du Eure Entscheidung, auf die Einführung der Soziokratie zu setzen. Was ist aus Deiner Erfahrung das Besondere an der Soziokratie?“

Antwort: „Die Soziokratie stellt bewährte Methoden und Strukturen bereit, um eine grössere Organisation von Menschen zu helfen, gemeinsame Strukturen und Methoden zu erlernen und umzusetzen. Diese Strukturen ermöglichen allen, gemeinsame Projekte, die z. B. als Ziele im Sinne der Vision von gemeinschaftlichem Leben, Entwickeln, Bauen und Wirtschaften definiert sind, gezielt und ergebnisorientiert voranzutreiben. Ohne dass immer zu jedem einzelnen Punkt ein Gesamt-Konsens aller gefunden werden muss. Das führt nur zu endlosem Gerede ohne verbindliches Ergebnis, und oftmals zu Verdruss und Frust.

In der Soziokratie gilt der Grundsatz des Konsent (statt Konsens, Anm.), d.h. alle haben grundsätzlich die Möglichkeit und das Recht, mit ihren Ideen und Vorschlägen gehört zu werden. Dann wird die Idee, der Vorschlag, die Anregung etc. in dem dafür zuständigen Fachkreis besprochen und geprüft, der sich in dem Zusammenhang auch um Prüfung und ggf. konkrete Lösungsvorschläge zur Umsetzung kümmert. Die konkretisierten Vorschläge des Fachkreises werden dann wiederum dem zentralen Lenkungskreis zur Entscheidung vorgelegt. Dieser gleicht jeden eingebrachten Vorschlag auf seine grundsätzliche Vereinbarkeit mit den Satzungszielen der Stiftung und der Genossenschaft hin ab. Ist der Vorschlag generell im Einklang mit den Zielen der Initiative, und erhebt niemand einen begründeten, schwerwiegenden Einwand, kann damit der Vorschlag fachlich auf der Basis des gemeinschaftlichen Konsent umgesetzt werden.

Wir haben für unsere Liegenschaft und den Betrieb sechs bis sieben Fachkreise gebildet. Jeweils zwei Mitglieder aus jedem Fachkreis sind auch im zentralen Lenkungskreis. Das funktioniert bei unserer Grösse von ca. fünfzig Gemeinschaftsmitgliedern sehr gut.“

Frage: „ Was sind Deine zentralen Erkenntnisse aus nunmehr zehn Jahren Gemeinschaft Sulzbrunn?“

Antwort: „ Man braucht sehr viel Zeit, und auch Energie, für die Gemeinschaftsbildung. Parallel zu einem 40 Stunden-Vollzeitjob ist das nicht möglich.“

Frage: „Das ist wirklich eine mutige und starke Erkenntnis, in eine kernige Aussage gepackt! Schliessen wir daran an mit einer weiteren sehr offenen Frage, wenn Du die gestattest? (nickt) Wenn es rückblickend in diesen zehn Jahren Entscheidungen, Dinge, oder gar Fehler gegeben haben sollte bei der Gründung, dem Aufbau und der Entwicklung der Gemeinschaft Sulzbrunn. Also Dinge, die Du mit Deiner heutigen Erfahrung anders machen würdest, als damals. Welche wären das?“

Antwort: „Eine generelle Schwierigkeit, die wir hatten, war es, die wirklich passenden und geeigneten Menschen für das Gemeinschaftsprojekt zu finden. Darum hatten wir dann auch einige  Menschen an Bord, die „schwierig“ für die Gemeinschaft waren. Von einem mussten wir uns nach langen Gesprächen sogar schliesslich einvernehmlich wieder trennen.

Wir hätten uns früher eine professionelle Supervision dazu holen sollen. Vielleicht die Soziokratie schon früher, oder gleich zu Beginn, als strukturgebende Basis einführen? Rückblickend ist mein persönliches Erleben: So, wie wir das gemacht haben, hat die Gemeinschaftsbildung übermässig viel „gezehrt“.

Frage: „Aus dem persönlichen Kontakt mit Dir haben wir ja erfahren dürfen, dass du Dich inzwischen aus der Gemeinschaft Sulzbrunn zurückgezogen hast. Wenn es aus dem von Dir Erlebten und Deiner  Erfahrung aus diesen zehn Jahren mit der Gemeinschaft Sulzbrunn Erkenntnisse für die Zukunft gibt, welche wären das?“

Antwort: „ Also, ich würde auch wieder eine neue Gemeinschaft gründen. Die Möglichkeiten hier in Deutschland, auch konkret, was die Ressourcen, z. B. Verfügbarkeit geeigneter Objekte und Grundstücke etc. betrifft, sind immens!“

„Lieber Herbert, wir danken dir, dass Du Dir spontan die Zeit genommen hast für dieses Gespräch, und Deine unschätzbar wertvollen Erfahrungen so offen und frei mit uns teilst. Für die Zukunft alles Gute Dir, und wer weiss, wo man sich wieder begegnet?“